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Katja Kettu – Forschungen einer Katze

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Die Ausgangssituation von Katja Kettus „Forschungen einer Katze“ wirkt seltsam, ja, sogar ein bisschen absurd: Ein nicht näher bezeichnetes kluges sphärisches Wesen wird vom „Amt für Forschung und Unterstützung der Lichten Lebensformen“ auf die Erde geschickt, um Menschen zu erforschen. Eigentlich sollte es der Geburt des Kindes einer Schriftstellerin beiwohnen, aber es geht etwas schief: Die Schriftstellerin verliert das Kind. Und das Wesen landet im Körper einer zeitreisenden Katze. Tatsächlich funktioniert dieser erzählerische Dreh sehr gut: Die Katze erklärt, beobachtet, greift gelegentlich in die Handlung ein. Sie ist instinktgeleitet wie ein Tier, dann wieder menschenähnlich intelligent. Und sie sorgt für kleine komische Momente inmitten der existentiellen Verzweiflung der namenlosen Schriftstellerin, die eng an Katja Kettu angelehnt ist.

Über unerfüllten Kinderwunsch schreiben

„Es ist sehr schwierig, über den Verlust eines Kindes zu schreiben. Die Katze hat mir Distanz gegeben. Die Katze hat mir geholfen, eine größere Perspektive zu finden. Deshalb ist es ein sehr befreiendes Buch für mich. Es hat mir geholfen weiterzuleben", erzählt Katja Kettu bei einem Treffen in Berlin. Sie hat jahrelang erfolglos versucht, ein Kind zu bekommen. In ihrem Roman schreibt sie drastisch und bisweilen überdeutlich über ihre Erlebnisse: die körperlichen Vorgänge, die Auswirkungen auf die Psyche, das Gefühl, sich selbst zu verlieren, die oftmals grausam-verständnislosen Reaktionen ihres Umfelds. Katja Kettu berichtet: „Ich habe an einem Buch über einen Künstler gearbeitet und hatte einen sehr engen Zeitplan. Als ich mit dem Verlag darüber reden wollte und ihnen sagte, ich hatte gerade eine Fehlgeburt sagten sie nur: Nun, Du bist eine Schriftstellerin, komm damit klar." Mit ihrer schonungslosen Offenheit gelingt es Kettu, diese Erfahrungen emotional nachvollziehbar zu machen – und hoffentlich auf diese Weise auch mehr gesellschaftliches Verständnis für Frauen zu wecken, die eine Fehlgeburt hatten. Dazu füllt sie auch literarisch eine Lücke: Über ungewollte Kinderlosigkeit wird nur sehr selten geschrieben. Zusammen mit Tine Høegs gerade auf Deutsch erschienenem Roman „Hunger“ zeigt nun auch Katja Kettu, wie es möglich ist.

Faszinierende Einblicke in finnische Geschichte

Die „Forschungen einer Katze“ bleiben nämlich nicht bei der Autofiktion und in Helsinki in den 2020er Jahren stehen. Vielmehr trifft die zeitreisende Katze Ende der 1910er Jahre in Nordfinnland in der Nähe der russischen Grenze auf das Verdingmädchen Eeva, das sich in den sanften Jakob verliebt. Wie in ihren drei bisher ins Deutsche übersetzten Romane hat Katja Kettu auch dieses Mal wieder Teile ihrer Familiengeschichte aufgegriffen. „Einige Verwandte sind damals in die Sowjetunion geflohen. Sie dachten, es wäre ein besserer Ort – und er war nur fünf Kilometer entfernt. Es gibt da eine Geschichte in meiner Familie: Meine Urgroßeltern haben beschlossen, in die Sowjetunion zu gehen, hatten das Pferd schon vor den Schlitten gespannt und dann hat es sich das Bein gebrochen." Das ist natürlich sehr schlimm für das Pferd – hat aber letztlich meine Existenz ermöglicht. Denn alle andere Verwandten sind von Stalin ermordet oder in Lager gesteckt worden. Somit zeigen sich in Eevas Leben die Auswirkungen der großen historischen Verwerfungen jener Jahre: der finnische Bürgerkrieg 1918, die Verfolgung finnischer Kommunisten, der Winterkrieg. Das sind hochinteressante Einblicke in die finnische Geschichte, die untrennbar mit Eevas Kampf um ihr Überleben verbunden sind. Und dieser Kampf wiederum zeigt in diesem zutiefst persönlichen Roman der Schriftstellerin in der Gegenwart, wie sie weiterleben kann. Sie muss durchhalten.
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Über unerfüllten Kinderwunsch schreiben

„Es ist sehr schwierig, über den Verlust eines Kindes zu schreiben. Die Katze hat mir Distanz gegeben. Die Katze hat mir geholfen, eine größere Perspektive zu finden. Deshalb ist es ein sehr befreiendes Buch für mich. Es hat mir geholfen weiterzuleben", erzählt Katja Kettu bei einem Treffen in Berlin. Sie hat jahrelang erfolglos versucht, ein Kind zu bekommen. In ihrem Roman schreibt sie drastisch und bisweilen überdeutlich über ihre Erlebnisse: die körperlichen Vorgänge, die Auswirkungen auf die Psyche, das Gefühl, sich selbst zu verlieren, die oftmals grausam-verständnislosen Reaktionen ihres Umfelds. Katja Kettu berichtet: „Ich habe an einem Buch über einen Künstler gearbeitet und hatte einen sehr engen Zeitplan. Als ich mit dem Verlag darüber reden wollte und ihnen sagte, ich hatte gerade eine Fehlgeburt sagten sie nur: Nun, Du bist eine Schriftstellerin, komm damit klar." Mit ihrer schonungslosen Offenheit gelingt es Kettu, diese Erfahrungen emotional nachvollziehbar zu machen – und hoffentlich auf diese Weise auch mehr gesellschaftliches Verständnis für Frauen zu wecken, die eine Fehlgeburt hatten. Dazu füllt sie auch literarisch eine Lücke: Über ungewollte Kinderlosigkeit wird nur sehr selten geschrieben. Zusammen mit Tine Høegs gerade auf Deutsch erschienenem Roman „Hunger“ zeigt nun auch Katja Kettu, wie es möglich ist.

Faszinierende Einblicke in finnische Geschichte

Die „Forschungen einer Katze“ bleiben nämlich nicht bei der Autofiktion und in Helsinki in den 2020er Jahren stehen. Vielmehr trifft die zeitreisende Katze Ende der 1910er Jahre in Nordfinnland in der Nähe der russischen Grenze auf das Verdingmädchen Eeva, das sich in den sanften Jakob verliebt. Wie in ihren drei bisher ins Deutsche übersetzten Romane hat Katja Kettu auch dieses Mal wieder Teile ihrer Familiengeschichte aufgegriffen. „Einige Verwandte sind damals in die Sowjetunion geflohen. Sie dachten, es wäre ein besserer Ort – und er war nur fünf Kilometer entfernt. Es gibt da eine Geschichte in meiner Familie: Meine Urgroßeltern haben beschlossen, in die Sowjetunion zu gehen, hatten das Pferd schon vor den Schlitten gespannt und dann hat es sich das Bein gebrochen." Das ist natürlich sehr schlimm für das Pferd – hat aber letztlich meine Existenz ermöglicht. Denn alle andere Verwandten sind von Stalin ermordet oder in Lager gesteckt worden. Somit zeigen sich in Eevas Leben die Auswirkungen der großen historischen Verwerfungen jener Jahre: der finnische Bürgerkrieg 1918, die Verfolgung finnischer Kommunisten, der Winterkrieg. Das sind hochinteressante Einblicke in die finnische Geschichte, die untrennbar mit Eevas Kampf um ihr Überleben verbunden sind. Und dieser Kampf wiederum zeigt in diesem zutiefst persönlichen Roman der Schriftstellerin in der Gegenwart, wie sie weiterleben kann. Sie muss durchhalten.
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